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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 1
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Norden, J.: Gr. Berliner Kunstausstellung, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0018

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10

Die Aun st-Halle

Nr. s

Richtung hat jetzt die „Vereinigung Berliner Architekten"
gethan, aber nur einen ganz kleinen. Eigentlich nichts mehr,
als daß sich die Aussteller einmal einen eigenen
Raum (23.) erobert und diesen nicht uneben ausgestattet
haben. Im klebrigen herrscht durchaus der Zufall vor
und ist die Auslese selbst durstig. Auf Einzelheiten kann ich
mich trotzdem nicht einlassen. Warum auch die eine Firma
besprechen und die andere nicht? Zudem haben ja die
einzelnen Firmen und Künstler nur gar wenig ausgestellt
— ein Bild von ihrem Schaffen gewinnen wir doch nicht.
Nur die Allerwenigsten gebieten hier über ein solches Maß
künstlerischer Eigenart, wie V- Rieth, dessen immer in-
teressante, phantasiereiche Entwürfe, so bekannt sie sind,
stets auf's neue reizen und fesseln, oder wie Bruno
Schmitz, dessen preisgekrönter und mit der Großen Goldenen
Medaille ausgezeichneter Entwurf zum Völkerschlachtdenk-
mal bei Leipzig die ganze Individualität dieses Künstlers
charakteristisch und überzeugend zum Ausdruck bringt. —
Und auch die vielbesprochene Betheiligung der Kunst-
gewerbler an dieser Ausstellung ist schließlich beträchtlich
hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Namentlich gilt
dies von der Ausstellung der Münchener „vereinigten
Werkstätten für Kunst im Handwerk", die im Saal 26 in
vier kleinen Kabinetten Prober: ihres Schaffens vereinigt
hat. Lines scheint mir insbesondere bezeichnend für die
gesammte „moderne" kunstgewerbliche Richtung zu sein:
Phantasie und Originalität, mitunter auch lediglich Ori-
ginalitätssucht, bethätigen viele der Künstler, die sich in
den Dienst der schönen Sache gestellt haben, aber ich denke
mir, die Ausstattung eines Wohnraumes und das Haus-
geräth haben doch nicht minder den Zweck, praktisch und
auch für die mittleren Klassen erschwinglich zu sein. Hier
jedoch gewinnt man den Eindruck, daß in erster Linie nur
für Raritätensammler und Börsenfürsten gearbeitet wird.
Ls ist keine Kunst für's Volk — es ist eine Reichmanns,
knnst, dabei häufig wohl noch gar „patentirt".
„Konstruktiv" ist das große Schlagwort, das nicht bloß
die moderneMöbeltischlerei nach englisch-belgisch-französischem
vorbilde auch in Deutschland beherrscht. Aber wie wenige
wissen diese „Forderung" mit jener anderen des „Praktischen"
zu verbinden, wirklich brauchbare Möbel haben eigentlich
nur Richard Riemerschmid und Bernhard pankok
entworfen, pankok's Stühle und Kredenztisch, Riemer-
schmid's großes Ecksopha und Buffet — ja, die vermögen
einen Wohnraum traulich zu gestalten. Aber was soll man
zu H. E. v. Berlepsch' ungethüinem Schreibtisch sagen,
oder gar zu Alfred Petra sch' klotzigem Schrank mit
dem goldgleißenden großen Beschlag auf dem graugelben
Eschenholz? Die Verwendung von geätztem Tylektypom in
Verbindung mit farbigen Hölzern kehrt, nebenbei bemerkt,
bei v. Berlepsch zu oft wieder und wirkt daher leicht un-
ruhig. Und für welchen Raum ist seine überreiche und
phantastische Wandvertäfelung gedacht? Welches Möbel
soll denn davorgestellt werden? Und wer möchte auf seiner
niedrigen Sitzbank mit dem architektonischen Aufbau da-
hinter gern Platz nehmen? viel Originalität — ja, und
manches Stück auch unleugbar an und für sich von aesthe-
tischer Wirkung. Aber wie sieht's mit der Zweckdienlich-
lichkeit, die ein litterarischer Genosse der Herrn also
betont: „das Kunstgewerbe soll als Gewerbe die Herstellung
völlig zweckmäßiger Formen schaffen, und als Kunst diese
in einer weise schmücken, welche dem Wesen des Gegen-

standes und den wünschen und Bedürfnissen des Besitzers
entspricht"?
Seine redliche Freude hat man an den Stickereien und
Teppichen nach Entwürfen von Vbrist, G. Lckmann
und Fritz Rentsch, obschon auch sie für die allermeisten
unerschwinglich sein mögen. Vbrist hat außerdem eine
schöne Truhe da mit einem sehr schwungvoll entworfenen
Beschlag, Eckmann seine phantastischen Beleuchtungskörper
in Eisen und Kupfer, die phantastisch, obschon auch zumeist
rein konstruktiv sind. Auch Franz Ringer stellt
schmiedeeiserne wand- und Tischleuchter aus. Lin
glücklicher Gedanke war es, die alte Schwarzwälder Khr
durch malerischen und sonstigen Schmuck auch im prunk-
vollen Zimmer existenzfähig zu machen, von den kera-
mischen Arbeiten möchte ich, neben den, wie immer schönen
Entwürfen von Max Länger, Max v. Heider und
Schmuz-Baudiß, die Winhart-Kellner'schen Vasen
und Trinkschalen und die Vasen des Dänen H. Kähler-
Nestved mit den glatten farbigen Glasuren und einfachen
Formen hervorheben. Unter den Fenstervorsetzern und
Bleiverglasungen ragen durch Farbengluth die zum Theil
nach Ehristiansen'schen Vorlagen angefertigteu Engel-
brecht'schen in japanisirendem Plakatstil und die diskre-
teren Blumenmotive von Earl Ule-München hervor,
während das große Fenster von Bruno Paul nur einem
exklusiven Geschmack behagen dürfte und einen dement-
sprechenden Raum voraussetzt, obschon das einfach gefärbte
Flußglas an und für sich ja recht schlicht ist.
Endlich wäre noch der Gold- und Schmiedearbeiten
zu gedenken. Die Hirzel-W ern er'scheu Schmuckgegen-
stände aus mattem Golde in stilisirten Pflanzenformen sind
ebenso bekannt, wie die Schaper'schen und die von
Eharpentier und Ehöret- Line ansprechende Idee hatte
Schaper, als er Tiffany - Schalen und Kopenhagener-
vasen mit Blumenornamenten in Silber und Gold
schmückte. Die Grohe'schen Kupfertreibarbeiten mit eben
solchen Ornamenten, die Rasmussen'sche in Silber ge-
triebene Blumen-Schale, die Rohloff'sche silberne Wein-
kanne und seine getriebenen Nessingschüsseln, machen der
Berliner Kunst ebensolche Ehre, wie Karl Rothmüller's
Achatschalen mit Silbermontirung der Münchener, oder
eigentlich ihren Schöpfern, die eine Eigenart zeigen, in der
Schlichtheit einen hervorstechenden Zug bildet. —
Nur noch einige Worte zum Schluß über die
Graphische Abtheilung, in der wir nur etwas über
hundert Blätter finden, von welchen zudem viele schon be-
kannt sind. Nach den mancherlei graphischen Ausstellungen
dieses Jahres könnte das ja auch kaum anders sein. Linen
Ehrenplatz behaupten unter den Originalradirern wieder
die Worpsweder, bei denen Gemälde und Griffelarbeiten
stets sich decken. Hans am Ende, Overbeck, Macken
sen sind in ihren Radirungen ebenso kräftig und stimmungs-
voll, wie in ihren Velbildern und es sind meistens dieselben
erdduftenden Motive aus der Worpsweder Landschaft-
denen wir hier und dort begegnen. Aber neues bieten sie
hier ebenso wenig, wie der Münchener Maxim Dasio,
Frau Paczka-Wa gner, Richard Müller, der brillante
Dresdner Zeichner u. A. Eine sehr begabte Berliner Künst-
lerin von durchaus männlich starker Eharakteristik tritt mir
n Käthe Kallwitz zum ersten Mal entgegen. Schon
der Gegenstand des Zyklus ihrer Lithographien und Radi-
rungen ist für eine Frau auffallend, denn er behandelt
 
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